#MTW Column: the social corona tiredness

»Schon komisch, dass doch manches nicht ausgesprochen wird.« Ein Satz, der mich im Endeffekt dazu bewegt hat, mich mal wieder auf meine vier Buchstaben zu setzen, eine Kolumne zu schreiben und meinen Gedanken somit ein Kleid aus Worten zu verleihen. Wie lange sie werden wird? Keine Ahnung – ich lasse es auf mich zukommen und tippe einfach darauf los. Wie lange die letzte Kolumne zurück liegt? Ich weiß es nicht! Wirklich viel gab es in letzter Zeit auch einfach nicht zu erzählen. Die einst so beliebten Kolumnen, in denen ich über das Single-Leben und Erfahrungen mit Männern sinnierte, bleiben aus, denn ich bin nun mal seit beinahe drei Jahren kein Single mehr. Probleme – und die gibt es in jeder guten Beziehung – werden hier nicht thematisiert, sondern hinter verschlossenen Türen zu zweit diskutiert. Und über die seit einem Jahr zu unser aller Leben gehörende Situation wollte ich hier nicht schreiben. Ich wollte nicht noch ein Medium „zumüllen“, nachdem wir seit einem Jahr nicht mal mehr die Möglichkeit haben, dem leidigen C-Thema aus dem Weg zu gehen. Egal wohin du gingst, egal welchen TV-oder Radiosender du eingeschaltet hast – überall flog dir Corona um die Ohren.

Also fingen wir an alle sozialen Aktivitäten so gut es ging in die virtuelle Welt zu verlagern. Wir trafen uns zu virtuellen Spieleabende, kochten via Zoom-Konferenz mit unseren Freunden und tranken dabei Wein oder versuchten jede freie Minute damit zu verbringen, mit Freunden und Familie zu telefonieren oder zu facetimen. Dann kam der Frühling und entschädigte uns für vieles, denn wir hatten wieder die Möglichkeit viele der Dinge, die zuletzt nur online stattfanden wieder in Persona zu erleben. Ich glaube, jeder von uns hat so etwas wie Normalität verspürt. Ein kurzes Durchatmen. Den Urlaub am holländischen Meer habe ich so sehr genossen, denn mir wurde bewusst, dass ich Urlaube bisher schon eher als selbstverständlich erachtet hatte. Dann kam der Herbst und mit ihm die 2. Welle. Daraufhin folgte Mitte Dezember der 2. Lockdown und auch wenn ich immer dachte, schlimmer kann es nicht mehr werden – schließlich wussten wir ja durch Lockdown No. 1, was auf uns zukommt – habe ich mich getäuscht.

Bin ich eine schlechte Freundin?

Mit dem zweiten Lockdown wurde auch die Stimme in meinem Kopf lauter, die sich immer wieder mit der gleichen Frage konfrontiert sah. »Bin ich eine schlechte Freundin?« Denn mit dem zweiten Lockdown kam auch meine social corona tiredness. Dinge, wie das facetimen mit Freunden oder virtuelle Spieleabende, sind für mich heute nicht mehr das, was sie noch im 1. Lockdown für mich waren. Ich bin müde. Und ich habe nichts zu erzählen. Bin ich also eine schlechte Freundin, weil mein Verlangen, die verbleibenden Stunden meines Tages damit zu verbringen, mit Freunden stundenlang zu facetimen, zu quatschen und Vino zu trinken, ein Jahr später nicht mehr so ausgeprägt ist, wie am Anfang der Pandemie? Stimmt etwas nicht mit mir? Wirklich, diese Frage habe ich mir oft gestellt und mich zwischendurch auch kurzzeitig gefragt, ob ich situationsbedingt wieder auf einen depressiven Schub zusteuere.

»Schon komisch, dass doch manches nicht ausgesprochen wird.«

Seit Anfang der Woche weiß ich, dass mit mir alles in Ordnung ist. Denn seit Anfang der Woche weiß ich, dass ich mit diesen Feels und diesen Gedanken nicht alleine bin. Dass ich meine Freunde nicht weniger wichtig erachte und nicht weniger liebe – dass es „einfach nur“ die Situation ist. Es war ein simpler Post von Amazed, der für mich alles, was mich zuletzt beschäftigte, widerspiegelte. Ein Post, der es verdient hatte in meiner Story geteilt zu werden. Eine Aussage, ohne viel zu sagen.

»So sehr ich gerne jeden Tag meine Freund*innen anrufen würde, ihnen das Gefühl geben möchte, ich bin da, lass uns gerne stundenlang digital kommunizieren, ich kann es nicht. Ich habe wenig zu erzählen, wenig zu geben und wünsche mir nur eines: den Frühling und eine Besserung der Situation herbei.«

Was daraufhin folgte war ein reger Austausch. Ich erhielt Nachrichten, in denen ihr mir einfach nur beigepflichtet oder in denen ihr mir von euch erzählt habt. Dass ihr keine Kraft habt und nicht reden wollt, weil es nichts zu erzählen gibt. Dass euch der Antrieb und die Motivation fehlt und dass es euch schwer fällt, euch zu konzentrieren. Dass ihr müde seid. Ich bin auch müde, so so müde!

Gerade bin ich jedoch dankbar. Dankbar für den Austausch mit euch, denn es lässt mich etwas besser fühlen. Weil ich weiß, dass ich damit nicht alleine bin. Dass meine social corona tiredness nicht nur mich, sondern ganz viele andere betrifft. Nur wusste ich das nicht, da keiner so wirklich darüber spricht. Jetzt habe ich darüber gesprochen und ich hoffe, dass es auch dem ein oder anderen von euch, der diesen Text bis hierher gelesen hat, ein klein wenig geholfen hat. Ich hoffe, dass ihr euch jetzt nicht mehr so alleine mit euren Gefühlen fühlt, wie noch vor ein paar Minuten. Weil ihr jetzt wisst, dass ihr nicht alleine seid.

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