»Wenn das so einfach wäre«, denke ich mir.
Das habe ich aber nicht immer gedacht. Früher habe ich – ohne Rücksicht auf Verluste – einfach vorgeprescht. Ich habe meinen Gefühlen und Emotionen freien Lauf gelassen. Ich habe die passenden, manchmal auch unpassenden und zu direkten Worte gefunden. Und heute? Heute stehe ich mir oftmals – ach, was sage ich da – meist selbst im Weg. Ich denke zu viel nach, überlege, welche Konsequenzen meine Worte haben könnten und überhaupt: wie fange ich überhaupt an?
Aber klar, lass‘ mal über Gefühle reden…
Ich kaue auf meiner Unterlippe, während ich überlege, wie ich denn jetzt anspreche, was mir so sehr auf der Seele brennt. Er sitzt mir gegenüber, zieht an seiner Zigarette. Ich kaue so lange auf ihr herum bis sie mir weh tut – was immerhin ein Zeichen dafür ist, dass sie noch da ist. In Gedanken lege ich mir meine Worte zurecht, gebe mir einen Ruck, hole tief Luft und sage … n i c h t s. Als er aufsteht gebe ich mir eine imaginäre Ohrfeige – ich habe den Moment verpasst. Wie so oft.
Ob ich das „darüber sprechen“ in den letzten Monaten und Jahren als Folge der ständig floppenden Beziehungen einfach verlernt habe? Ich kann es mir jedenfalls nicht anders erklären. Sobald meine Gefühle mein direktes Gegenüber betreffen, mache ich dicht. Ich ziehe mich in mein Gedankenchaos zurück und gehe jedes einzelne mögliche Szenario durch. Wenn ich das jetzt sage, könnte er so oder so reagieren. Sage ich es aber so, könnte es schon wieder ganz anders sein. Das geht munter so weiter, bis mein Herz so schnell schlägt, dass es mir beinahe aus dem Brustkorb plumpst und ich nach Luft schnappen muss. Ich finde mich dann meist mitten in der Nacht kopfschüttelnd auf meinem Balkon wieder. Versuche mich zu beruhigen – einatmen, ausatmen. Verrückt, es sind doch nur Worte und vor allem: es sind meine Gefühle. Also warum stelle ich mich so an?
Es ist eigentlich ganz einfach. Man sieht sich zum allerersten Mal, jegliche Entscheidung bzgl. eines weiteren Vorgehens erfolgt auf Oberflächlichkeiten. Ein schönes Lächeln, starke Arme oder auffallende Augen – das ist es, was wir kennen lernen und in was wir uns im ersten Moment auch verlieben. Man verbringt Zeit miteinander, doch trotzdem ist da immer noch diese rosarote Brille und alles ist ja ach so perfekt. Mit der Zeit werden die Gespräche tiefgründiger. Gerne fällt hier mal ein Satz, den wir schon alle mindestens einmal gehört haben. »Hey, du & ich, wir können immer über alles reden!« Man fängt an mehr von sich, seiner Vergangenheit und möglicherweise auch von seinen Ängsten Preis zu geben. Das ist okay – im besten Fall bleibt Mann trotzdem. In meinem Fall jedoch, führten eben genau diese Gespräche immer wieder zu unangenehmen Konfrontationen mit der Vergangenheit mit denen Mann, ebenso wenig wie mit damit verbundenen ehrlichen und emotionalen Geständnissen meinerseits, oftmals meist nicht zurecht kam. Sprach man über Ängste oder Situationen, in denen man sich wiederfand, hagelte es oftmals Ausreden über Ausreden. »So ein Quatsch«, hörte ich immer wieder. Empathie? War inzwischen Fehlanzeige! Aus einem ursprünglichen »Hey Leni, du & ich, wir können immer über alles reden!« wurde nächtelanges im Kreis drehen, weil die Diskussionen und Streitereien nicht enden wollten. Nach einer dieser immer wiederkehrenden Nächte fing ich an, mich dahingehend gefühlstechnisch zurückzuziehen und band mir den Gefühlsklotz lieber weiterhin ans Bein, als mit der Sprache rauszurücken. Das war wohl ein klarer Fall von Prägung.
Aber so wie alle Menschen, habe ich auch meine schwachen Momente, in denen ich loslasse. Meist in den späten Abendstunden, mindestens drei oder vier Gläser Wein später. Erwischt man mich in meinem schwachen Moment, Dann sprudelt alles unkontrolliert und völlig ungeschönt heraus. Alle Gedanken, Erfahrungen, Erinnerungen oder Ängste. Weil runterschlucken letztendlich kontraproduktiv ist. Und ja, irgendwie ist es normal, dass man sich am Morgen danach fühlt, als hätte man alle Hüllen fallen gelassen und stünde jetzt komplett nackt da.
Und ja, es fühlt sich beschissen an, aber man kann es nicht mehr rückgängig machen.
Irgendwie will man es auch gar nicht mehr, weil jetzt alles gesagt wurde.
Eigentlich darf der Sinn einer Beziehung oder Freundschaft nicht darin liegen, auf die schwachen Momente zu warten. Man sollte eher anfangen zu verstehen, dass Ängste und prägende Erfahrungen nur dann jemanden wirklich vertreiben würden, wenn es nicht bestimmt wäre, dass man einen gemeinsamen Weg durchs Leben geht. Denn egal wie ängstlich man auch sein mag, nur die Menschen, die eben dazu bestimmt sind, bleiben auch wenn es unangenehm wird. Aber unsere Erinnerungen bestimmen, wer wird sind – das hat schon Martin Korte gesagt. Wir sind Gedächtnis! Natürlich ist es immer leicht anderen die Schuld an etwas zu geben, woran man vielleicht auch selbst ein wenig beteiligt ist. Immerhin kann man sagen, man solle nicht von einem (oder mehreren) auf andere schließen und den Kopf ausschalten. Das, liebe Freunde, ist jedoch leichter gesagt als getan, daher geht ein Dank an all die Männer raus, die uns Frauen geprägt haben. Durch ihre anfangs liebevolle und aufrichtige, sowie verständnisvolle Art, um am Ende doch den Schwanz einzuziehen. Karma comes back!
Liebe Leni, wie so oft bei deinen Kolumnen, kann ich mich in deinem Text absolut wiederfinden. Deine Art zu schreiben, ein bisschen Ironie und Sarkasmus, dann wieder so ehrlich und fast schon ein wenig gebrechlich, bis hin zu knallhart, liebe ich einfach sehr! Das Buch von Korte ist übrigens sehr gut und hilft vieles zu verstehen!
Allerliebst, Tine
Diese Kolumne spricht mir so aus der Seele!!!!!!