„Wann hat dich das letzte Mal ein Fremder zum Lachen gebracht?“ Als er mir diese Frage stellte schoss mir nur eine Antwort durch den Kopf. „Das ist noch gar nicht so lange her. Etwa vier Wochen. Ich habe ein unvorteilhaftes Foto von mir freudestrahlend, die Hände in die Luft werfend am Strand verschickt und bekam – als hätte er es geplant – den Link zu einer Nana in selbiger Pose zurück. Ich habe gelacht wie schon lange nicht mehr.“ Und das war nur ein Moment, in dem mich ein Fremder zum Lachen brachte.
Wie oft begegnen wir Menschen? Wöchentlich. Täglich. Stündlich. Wie oft begegnen wir Menschen, die uns ab dem ersten Moment vertrauter, bekannter und näher sind als viele derer, die wir schon etliche Jahre kennen? Selten. Und doch ist es mir passiert. Wir schrieben uns von morgens bis abends. Der erste und der letzte Blick fiel immer aufs Handy. Als wir uns das erste Mal trafen, schrieben wir uns gerade einmal siebzehn Tage. Siebzehn! Am Anfang war ich total cool. Als ich ihn dann die Brücke überquerend entdeckte, wohl wissend ihm gleich gegenüber zu stehen, sackte mir das Herz in die Hose und mein erster Blick galt meinem Spiegelbild. Ob die Haare gut aussahen? War die Outfitwahl (schwarz, wie meist) die richtige? Aber warum das alles? Er ist doch ein Fremder, kann mir doch letztendlich egal sein. Oder? Doch dann stand er da: die Arme ausgestreckt, mit einem breiten Grinsen im Gesicht. Als er mich dann in seine Umarmung hüllte und sich ein Gefühl der Wärme in mir ausbreitete, kam er mir jedoch so gar nicht fremd vor. Wir sprachen den ganzen Abend offen miteinander. Ich lachte. Ich lachte viel, laut und teilweise wirklich dreckig. Es störte mich nicht. Ich hatte nicht einmal das Gefühl, dass es peinlich oder unangenehm sei. Wir zogen durch die Straßen, unterhielten uns, lachten. In einer Bar beobachteten und analysieren wir die Menschen um uns herum. Wir dachten uns Geschichten zu ihnen aus und irgendwann lag ich in den Armen eines Fremden. Ich verließ die Bar, Hand in Hand mit einem Fremden. Wir standen da, ich verabschiedete mich von einem Fremden und dann… Dann küsste mich ein Fremder. // An meinem Kühlschrank hängt das Klebeetikett einer Wassermelone. Ich hatte es lachend dort hingeklebt, nicht darüber nachgedacht und es dort vergessen. Es war einer dieser Abende, ich könnte schwören es wären schon tausende vorher gewesen, aber es war der Zweite mit einem Fremden. Ein Spaziergang in der kühlen Abendsonne. Ein, zwei, viele Stücke Wassermelone auf meinem Balkon. Lautes Gelächter und Geschrei, weil ich so fürchterlich kitzelig bin. Auf dem Sofa liegend, philosophierend. Auf einen Kuss folgten hunderte und dann steht die Welt still. Für ein paar Stunden, nicht mehr und nicht weniger. Und dann ist da dieser rote, ovale Aufkleber an meinem Kühlschrank, an dem ich jeden Morgen vorbei laufe und der mich daran erinnert. Daran, dass Fremde, weitaus mehr als Fremde sein können.
Es gibt unzählige Geschichten von Prinzessinnen, aber nur eine einzige handelt von einer Räubertochter. Prinzessinnen und deren Geschichten gibt es wie Sand am Meer, nur die Geschichte der Räubertochter sticht aus der Masse heraus. Genau so tun es die Räubertöchter im wahren Leben unter den zig tausenden Prinzessinnen, die den Kragen nie voll genug kriegen können, die immer genau das kriegen, was sie wollen. Räubertöchter sind aber diejenigen, die riskieren, aushalten und die (trotzdem) überleben. Alleine oder gemeinsam. Die, die kämpfen müssen und sich an den kleinen Dingen im Leben bereichern. An Dingen wie Gummibärchen im Weinglas, zuckersüßen Pandabären, Küsse auf der Stirn, zerzauste Haare. An jede einzelne Sekunde. Und Klebeetiketten auf Melonen.
Ich liebe deine Kolumnen.
Wunderschön geschrieben! Du hast eine tolle, warme und erhliche Art zu schreiben.
Verzaubert mich beim Lesen und man will garnicht aufhören.
Ich hoffe, dass der Wassermelonenmann keine Melonen auf den Augen hat und sieht, was er an dir hat 🙂 alles Liebe und Gute für dich, kleine süße Leni!
ach, papperlapapp. Der Wassermelonenmann und ich sind (doch!) "nur" Freunde 🙂